Infowelt Energie
Herausforderungen beim Windräder-Recycling
Erstellt am 29.9.2025
Windkraft – die wichtigste erneuerbare Energiequelle im deutschen Strommix. Deutschlands Windräder erzeugten 2024 etwa 136 Milliarden Kilowattstunden aus Windenergie, das macht laut Statistischem Bundesamt 31,5 % der gesamten deutschen Stromproduktion aus. Doch die Windräder der ersten Generation, Fachleute sprechen von Windkraftanlagen, werden sich nicht mehr lange gen Himmel strecken. Mittlerweile sind sie in die Jahre gekommen. Über ein Viertel aller Windräder, die auf dem Festland Deutschlands stehen, rund 10.800 an der Zahl, sind älter als 20 Jahre. Und viele von ihnen sollen demnächst abgebaut werden.
Da stellt sich die Frage: „Warum müssen Windräder nach 20 Jahren abgebaut werden?“ Eine Vorschrift ist es nicht. Aber die Zahl kommt der Wirklichkeit nah. Ihr liegt die geschätzte Lebensdauer einer Windkraftanlage von 20 bis 30 Jahren zugrunde. Die Folge: Viele Windräder räumen jetzt ihren Platz für leistungsstärkere Modelle – auch, weil die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz nach 20 Jahren endet. Außerdem ist es wirtschaftlich oft sinnvoll, eine Windkraftanlage schon vor dem Ende ihrer möglichen Betriebsdauer abzubauen und durch eine größere, leistungsstärkere Anlage zu ersetzen. Dieser Vorgang wird Repowering genannt. Aber wie lassen sich diese Stahlriesen entfernen? Und wie die Windräder recyclen, vor allem die Rotorblätter?
Wie Windräder abgebaut werden
Es sind schwergewichtige Windtürme, von denen hier die Rede ist: Allein die Rotorblätter sind teilweise mehr als 50 Meter lang und können über 25 Tonnen schwer sein. Die Masten der älteren Windkraftanlagen ragen rund 100 Meter in die Höhe. Windräder abzubauen, ist nicht ganz einfach. Riesige Kräne verfrachten die Rotorblätter und die tonnenschwere Gondel vom Turm auf den Boden. Am Boden angekommen, werden die Windflügel direkt vor Ort in meterlange Stücke zersägt, unter Vorsichtsmaßnahmen wie Wassernebel, damit kein Feinstaub oder Faserbruchstücke in die Umwelt gelangen. Zudem wird der stählerne Turm meist stückweise abgebaut – per Abrissbirne oder Fallsprengung. Und schließlich zerstoßen Presslufthämmer das Fundament aus Beton.
Wer zahlt den Rückbau von Windkraftanlagen?
Die Rechnung für den Rückbau geht an die Betreiber. Die Bedingungen für den Abriss sind normalerweise in der Baugenehmigung festgeschrieben. Wie die Verpflichtungen genau aussehen – ob Rücklagen oder Bürgschaften die Kosten absichern – ist Sache der Bundesländer.
Recycling des Hauptteils der Windkraftanlage
Viel Material von einem Windrad lässt sich recyceln. Das Umweltbundesamt beziffert die Quote sogar auf über 90 Prozent. Der Metallschrott wird eingeschmolzen und landet wieder als Rohstoff beispielsweise in der Stahlproduktion. Auch das Kupfer, von dem viel im Windradgenerator zu finden ist, lässt sich wieder als Rohmaterial in den Recyclingkreislauf einspeisen. Generator und Getriebe werden häufig als Ersatzteillager genutzt. Aus dem geschredderten Beton wird Straßenschotter.
Doch ob konventionelles Recycling durch Einschmelzen oder unkonventionelle Wiederverwendungen, eine große Herausforderung bleibt: die restlichen zehn Prozent der Windkraftanlage, die Rotorblätter.
Was passiert mit den alten Rotorblättern der Windräder?
Was tun mit den alten Rotorblättern? Jedenfalls dürfen sie nicht auf Mülldeponien entsorgt werden – das ist in Deutschland schon seit 2005 verboten. Sie müssen verarbeitet werden. Auch europaweit stehen die Zeichen auf Kreislaufwirtschaft: Die Europäische Umweltagentur sieht im Rahmen ihres Aktionsplans zur Kreislaufwirtschaft ein europaweites Deponierungsverbot vor. Vattenfall hat sich strikt gegen Deponierung entschieden – auch in Ländern, die das noch erlauben.
Herausfordernder Materialmix
Für Rotorblätter, die eine Länge von über 50 Meter haben können, ist das Recycling sehr schwierig. Das Problem sind die Verbundwerkstoffe. Materialien wie Glas- oder Carbonfaser, Epoxidharz, Balsaholz, Metalle, PVC- oder PET-Schaum und einige Füllstoffe mehr werden schichtweise extremfest zusammengepresst und so miteinander aufs engste verbunden. Das macht die Rotorblätter sehr robust. So können sie Stürmen trotzen – und sind sehr schwierig zu recyceln.
Die Fasern lassen sich so gut wie nicht aus dem Kunstharz lösen und in ihre Ursprungsbestandteile zerlegen – zumindest nicht in großem Umfang mit Hilfe industrieller Verfahren. Ein zweites Leben für Rotorblätter wird dadurch schwierig.
Nach Aussagen des Umweltbundesamtes sind noch in diesem Jahrzehnt jährlich etwa 20.000 Tonnen an schwer wiederverwertbaren Rotorblatt-Abfällen zu erwarten. Mittelfristig sollen es jährlich sogar 50.000 Tonnen sein. Der Großteil des Abfalls auf Glasfaserbasis landet in Deutschland in Zementanlagen. Ein Recycling ist das nicht: Dort wird er thermisch verwertet, also zur Energierückgewinnung verbrannt. Die Asche wird dem Zement beigemischt.
Neue Ideen für alte Rotorblätter
Zu 100 Prozent lassen sich die Windflügel längst noch nicht recyceln. Aber es gibt einige bemerkenswerte Ideen, die für ein zweites Leben sorgen:
So hat beispielsweise der dänische Anlagen-Hersteller Vestas nach eigenen Angaben zusammen mit Partner:innen ein Verfahren entwickelt, mit dem das in den Rotorblättern verwendete Epoxidharz in wiederverwendbare Bestandteile zerlegt werden kann.
Aber auch Startups bringen neue Ideen ins Spiel. „Wings for Living“ aus Dresden zersägt die Windblätter, um sie in stilvolle Möbel für Draußen zu verwandeln. Das Linzer Unternehmen Carbon Cleanup wiederum baut auf mobile Recyclinggeräte für Verbundwerkstoffe in Containergröße, die sie direkt beim Kunden aufstellen. In diesen werden die Flügelteile zu kleinen Pellets aus Kohlenfasern, die für Spritzgussanlagen oder 3D-Druck genutzt werden können. So werden beispielsweise Sonnenbrillen aus ihnen. Auch die Firma Novo-Tech aus Sachsen-Anhalt setzt auf Wiederaufbereitung: Zerkleinerte Flügel werden mit Holzresten zu Terrassendielen vermengt, die dem Wetter trotzen.
Innovative Rotorblätter produzieren
Einige Unternehmen und Forschungsinstitute arbeiten daran, schon im Vorfeld etwas zu ändern, damit es am Ende keine Schwierigkeiten gibt. Eine vielversprechende Idee: lösbare Harze. Siemens Gamesa etwa stellt mit dem „RecyclableBlades“ die ersten recycelbaren Rotorblätter her. Die Lösung liegt in einem neuartigen Harz, der sich in einer leicht sauren Lösung bei niedriger Temperatur auflöst. Dadurch wird das Harz von den anderen Komponenten des Rotorblatts getrennt. So können die Bestandteile anschließend zu neuen Produkten recycelt werden.
Auf andere Materialien baut ein deutsches Startup: In der Umgebung von Kassel wurden 2024 wohl die weltweit ersten hölzernen Rotorblätter an einer bestehenden Windkraftanlage montiert. Eine Lösung für den großen Maßstab ist das allerdings aktuell noch nicht. Bisher erreichen die Rotorblätter des Startups Voodin Blade Technology aus Furnierschichtholz eine Länge von knapp 20 Metern. Üblicherweise sind die Rotorblätter heutzutage durchschnittlich 60 bis 90 Meter lang, um möglichst viel Wind einfangen zu können.
Windradrecycling bei Vattenfall
Vattenfall will bis 2030 alle demontierten Rotorblätter von Windkraftanlagen recyceln, 50 Prozent der Rotorblätter bereits bis 2025. Das Unternehmen arbeitet deshalb in verschiedenen Projekten daran, neue Lösungen zu finden.
Die erste Option: Turbinen als Ganzes anderweitig nutzen lassen, etwa indem man sie verkauft. Geht das nicht, gibt es bei Vattenfall mehrere Projekte zu Wiederverwendung und Recycling: Ausgemusterte Rotorblätter des stillegelegten niederländischen Windparks Irene Vorrink sind die ersten, die aus dem Recycling als Skier herauskommen, oder auch als Wanderstöcke, Dämmstoffe oder anderes Baumaterial für Solarparks. Erst jüngst wurde das Projekt gestartet, Rotorblätter von Turbinen eines stillgelegten Windparks von Vattenfall zu einem schmucken Fassadenelement eines mehrstöckigen Parkhauses zu machen.
Und was recyclingfähige Rotorblätter angeht: Auch bei den ersten recycelbaren Rotorblättern, die von Siemens Gamesa entwickelt werden, ist Vattenfall mit dabei. Vattenfall nutzt im Offshore-Windpark Hollandse Kust Zuid in den Niederlanden die mit einem speziellen Harz versehenen RecyclableBlades von Siemens Gamesa. 2022 wurden hier drei Sätze der RecyclableBlades installiert. Mehr war zum damaligen Zeitpunkt nicht verfügbar.
Nicht nur für die Windflügel entwickelt Vattenfall Recycling-Lösungen. Auch für das Maschinenhaus hat sich der Konzern etwas für ein zweites Leben einfallen lassen. Warum verschrotten, wenn sich doch auch darin wohnen lässt, dachten sich Mitarbeiter:innen von Vattenfall und machten zusammen mit niederländischen Designer:innen aus dem Maschinenhaus, der so genannten Gondel, ein Tinyhaus. Das hat immerhin die schon recht wohnlichen Maße von 40 Quadratmetern Wohnfläche bei drei Meter Höhe. Küche, Bad und Wohnzimmer finden gut darin Platz.
Fazit: Windräder Recycling - Herausforderung angenommen
Das Recycling von Windkraftanlagen funktioniert in weiten Teilen bereits gut – zumindest, wenn es um Beton, Stahl oder Kupfer geht. Doch ausgerechnet die Rotorblätter, das sichtbarste Symbol der Windenergie, stellen die Branche vor Herausforderungen. Noch fehlt eine industrielle Lösung, mit der sich die komplexen Verbundstoffe recyceln lassen. Doch der Wandel hat begonnen.
Das könnte Sie auch interessieren

Kleinwindkraftanlagen: Das sollten Sie wissen
Kleinkraftanlagen sind kompakte Windräder, die sich speziell für den Einsatz auf dem eigenen Grundstück eignen. Sie ermöglichen es, privaten Haushalten einen Teil des Energiebedarfs selbst zu erzeugen.

Wann und für wen lohnt sich ein Windrad für zuhause?
Die Kraft des Windes nutzen – mit einem Windrad für zuhause können auch Privatpersonen ihren eigenen Strom produzieren und damit ihre Stromkosten senken.