Viele mittelständische Unternehmen schreiben das Thema ESG – Environmental, Social und Governance (zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) ganz weit oben auf ihre Agenda. Mittlerweile werden sie nämlich genau wie große Konzerne in die Pflicht einer verantwortungsvollen Unternehmensführung genommen. Eine transparente Darstellung der eigenen Nachhaltigkeitsleistungen (ESG-Reporting) wird künftig ein wichtiger Anhaltspunkt für Investoren und deren Entscheidungen sein.
ESG bedeutet mehr als E-Mobilität und Klimaschutz
Environmental, Social, und Governance bedeutet mehr als den Unternehmensfuhrpark auf E-Mobilität umzustellen oder Solarpanele zu installieren (Environmental). ESG bedeutet zum Beispiel auch, Menschenrechte in der Lieferkette zu achten, geschlechtergerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen und die sozialen Auswirkungen des Produktportfolios zum Beispiel auf Konsumenten zu messen und zu verbessern (Social). ESG bedeutet auch, ein nachhaltigkeitsorientiertes Chancen- und Risikomanagement umgesetzt oder Nachhaltigkeit auf Führungsebene, in Rollen und Organisation verankert zu haben (Governance). Und das ist nur eine Auswahl der ESG-Kriterien, die für die Prüfung und Bewertung (ESG-Rating) eines Unternehmens auf Nachhaltigkeit durch Investoren und Ratingagenturen relevant sind.
ESG als Finanzierungskriterium
In Zukunft werden nicht-nachhaltige Unternehmen immer mehr Schwierigkeiten haben, eine Finanzierung zu finden. Banken und Finanzinstitutionen steuern Finanzierungen zunehmend nach ESG-Kriterien. So wird es von der EU-Kommission in der Taxonomie für Sustainable Finance entsprechend beabsichtigt und reguliert. So sollen Kapitalströme in nachhaltige, grüne Projekte umgelenkt werden. Das heißt praktisch, dass jeder Unternehmenskredit, jede Anleihe und jede Investoren-Finanzierung im Mittelstand eine ESG-Due-Diligence durchlaufen wird, also eine Überprüfung aufgrund der Kriterien. Sollten dabei substanzielle ESG-Risiken, zum Beispiel Risiken für Klimaschäden, CO2-Preisrisiken oder Risiken für Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette identifiziert werden, fällt die Finanzierung aus. Auf der anderen Seite werden Projekte, die taxonomiekonform sind und beispielsweise im Klimaschutz einen wichtigen Beitrag leisten, deutlich einfacher zu finanzieren sein.
Nachhaltige Finanzierungen für Klimaziele
Über Sustainable Finance hofft die Politik, einen entscheidenden Hebel für die Transformation unserer Wirtschaft ziehen zu können. Es bedeutet, dass sich jedes Unternehmen, ob Gewerbe, Industrie oder Einzelunternehmen, Schritt für Schritt nachhaltig transformieren muss, und zwar nicht in ferner Zukunft, sondern in der “Decade of Action” zwischen 2020 und 2030. Dies ist das entscheidende Jahrzehnt, in dem es noch möglich ist, eine grüne Infrastruktur aufzubauen, um das für das Überleben der Menschheit wichtige 1,5-Grad-Klimaziel in Reichweite zu halten. Ein erster Schritt für das konkrete Handeln ist der Beitrag zur Energiewende und beispielsweise der Wechsel von konventionellem Strom (Kohle, Erdgas, Atom) zu erneuerbaren Energien (Windkraft, Sonnenenergie, Wasserkraft). Ein weiterer Schritt, der im privaten und beruflichen Alltag ein leichter ist, ist die umweltgerechte Müllvermeidung und der Einstieg in eine Kreislaufwirtschaft mit konsequenter Mülltrennung im Betrieb. Aus Abfällen werden im Recycling wertvolle Rohstoffe gewonnen, die wiederum für die Produktion neuer Produkte verwendet werden können – die Grundlage für eine Kreislaufwirtschaft.
Was sind die ESG-Ratings und ESG-Kriterien?
Ein ESG Rating ist ein Bewertungstool, mit dessen Hilfe die Nachhaltigkeit eines Unternehmens gemessen werden kann und potenzielle Investoren entscheiden können, ob ein Unternehmen für ein mögliches Investment interessant ist oder eben nicht. Aus den drei Bereichen »Environment«, »Social« und »Governance« ergeben sich Kriterien wie beispielsweise:
· die Einhaltung von Klimarichtlinien
· der Umgang mit Ressourcen
· die Einhaltung von Menschenrechten
· die Einhaltung von Maßnahmen zur Arbeitssicherheit
· die Einhaltung von Vorschriften zum Geldwäschegesetz und vielen anderen
Strukturen unter der Lupe
Vor einer ausgeklügelten Nachhaltigkeitsstrategie ist der Blick auf die internen Strukturen der eigenen Organisation aber Pflicht. Nur auf der Grundlage einer ehrlichen Auseinandersetzung wird es möglich, eine Unternehmensstrategie zu entwickeln, die nachhaltige Themen im Unternehmen wie beispielsweise eine nachhaltige Energieversorgung, eine faire Lieferkette oder eine chancengerechte Personalpolitik berücksichtigt. Der nächste Schritt wäre dann, eine Vision zu entwickeln, welche unternehmerische Ziele in Bezug auf die Environmental Social Governance in den nächsten Jahren harmonisiert.
Fünf Schritte für die praktische Umsetzung von ESG
01 Werte definieren und leben, Unternehmenskultur stärken
Erst wenn ESG-Ziele formuliert und Werte vom Chef vorgelebt werden, kann die Mitarbeiterschaft diese verinnerlichen. So entsteht eine glaubwürdige Unternehmenskultur mit einem klaren Fokus.
02 Bewusstes Einbeziehen von Mitarbeitenden
Damit alle Facetten des Unternehmens berücksichtig und Transformationsprozesse vorangetrieben werden können, ist es wichtig, Mitarbeitende mit einzubeziehen. Dazu gehört, sie aktiv in Prozesse mit einzubinden und ihnen die Möglichkeit zu geben, das Unternehmen mitzugestalten. Mithilfe von Evaluations- oder Moderationsmethoden und Fragerunden wie Jahresgespräche, Barcamps oder Town Hall Meetings kann ein Unternehmen herauszufinden, was der Mitarbeiterschaft wirklich wichtig ist und was die konkreten Wünsche an den Arbeitgeber sind.
03 Personal aufbauen, personelle Ressourcen prüfen und handlungsfähig bleiben
Ein Unternehmen nachhaltiger zu machen bedeutet auch, seine personellen Ressourcen zu überprüfen und ggf. auszubauen. Oft führt die Angst aus der Chefetage vor einem zu großen bürokratischen Aufwand zu einem Gefühl der Überforderung. Mittelständischen Unternehmen fehlt es oftmals an geschultem Personal, das die ESG-Thematik neben dem ganz normalen Tagesgeschäft behandeln kann. Dem kann ein Unternehmen aber entgegenwirken, indem es in Schulungen investiert und/oder für geschultes Personal sorgt.
04 Nachwuchsgeneration fördern und Mitarbeiterbindung festigen
Besonders jungen Leuten bis 25 Jahren liegen Themen wie Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility am Herzen. Aus einer Studie des Bundesministeriums für Umwelt aus dem Jahr 2018 geht hervor, dass 68% der sogenannten Idealistischen über eine höhere Bildung verfügen und Themen wie Umweltbewusstsein, Toleranz und Engagement einen großen Teil ihres Wertekompasses einnehmen. Potenzielle Mitarbeiter:innen der Generation Z sind motiviert, in einem nachhaltigen Unternehmen zu arbeiten und eine sinnstiftende Tätigkeit auszuüben. Das Thema Nachhaltigkeit ist der Touchpoint zwischen alter und junger Arbeitsgeneration.
05 Wettbewerbsfähigkeit ausbauen
Zum einen haben Unternehmen mit einem umfassenden ESG-Bericht bessere Chancen am Kapitalmarkt, denn dieser ist dafür da, Investor:innen eine Entscheidungshilfe für mögliche Investitionen an die Hand zu geben. Zum anderen werden die Unternehmen durch ihr sichtbares Bekenntnis und ihre nachweislichen Aktivitäten attraktiver für Kund:innen und gut ausgebildeten Nachwuchs.
ESG für die Zukunft des Mittelstandes
Fest steht, dass die Nachhaltigkeit eines Unternehmens langfristig darüber entscheidet, wie wettbewerbsfähig es tatsächlich ist. Gute ESG-Ratings bedeuten gleichzeitig gute Karten auf dem Finanzmarkt. Je schlechter die ESG-Bewertung ausfällt, desto teurer wird der Kredit oder er wird erst gar nicht vergeben. Mit gutem Beispiel voran geht Vaude – ein Unternehmen im Bereich Bergsportausrüstung und Outdoor-Bekleidung. Das baden-württembergische Unternehmen belegte 2017 beim bundesweiten Ranking der Nachhaltigkeitsberichte Platz 1 für beste Transparenz in der Kategorie »kleine und mittelständische Unternehmen.«
Auch im Bereich Employer Branding (Arbeitgebermarke) wird ESG einen größeren Stellenwert einnehmen, da die Nachwuchsgeneration sehr viel Wert auf die inneren Werte eines Unternehmens, Nachhaltigkeit und soziales Engagement legt und die persönliche Identifikation mit dem Unternehmen somit einen hohen Stellenwert einnimmt.
Außerdem sind laut der »Zenjob Gen-Z Studie: das wünschen sich junge Arbeitnehmer:innen von ihrem Job«, mittelständische Unternehmen die beliebteste Unternehmensform bei Generation Z (31,6 %) und Millennials (36%) – noch ein Grund mehr für den deutschen Mittelstand, sich auf den Nachwuchs zu konzentrieren und das Unternehmen nachhaltig zu gestalten.
Unternehmer sollten jetzt handeln
Der Druck auf den deutschen Mittelstand, Unternehmen ESG-konform zu gestalten, wird immer größer. Deshalb sind alle Schritte in Richtung Nachhaltigkeit, ob groß oder klein, von sehr großer Bedeutung. Eine oberflächliche Beschäftigung mit dem Thema Nachhaltigkeit und fragwürdige PR-Methoden, die Verbraucher täuschen, reichen längst nicht mehr aus, um am Markt erfolgreich zu sein – Konsumenten und Klienten durchschauen diese Tricks. Spätestens dann, wenn ein Unternehmen für Nachhaltigkeit wirbt und mehr Geld in Werbung steckt als in den Umweltschutz, weiß man, woran man als Mitarbeiter, Verbraucher, Kunde oder potentieller Investor wirklich ist.
Unternehmen, die aufrichtig und verantwortungsvoll handeln und so auch mit ihren Ressourcen umgehen, werden sich hingegen langfristig durchsetzen.
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