Infowelt Energie

Bidirektionales Laden: das Elektroauto als Speicher

Elektroautos sind ein zentraler Baustein für die Mobilität der Zukunft. Doch darüber hinaus könnten sie auch zum Gelingen der Energiewende beitragen – indem sie als dezentrale Stromspeicher eingesetzt werden.

Zuletzt aktualisiert am 27.03.2023
Lesedauer: 7 Minuten

Junge Technik, großes Potenzial – viele Fragezeichen

Mit „bidirektionalem Laden“, einem Fachbegriff aus der Welt der Elektromobilität, ist das „Laden in zwei Richtungen“ gemeint. Zum einen fließt dabei wie gewohnt Strom aus dem Netz ins E-Auto, zum anderen, und das ist das Besondere, Energie aus dem Akku des Fahrzeugs zurück ins Stromnetz bzw. ins Haus. Ob sich die noch eher junge Technik durchsetzt und eine wichtige Rolle für das Stromnetz der Zukunft einnehmen kann, muss sich aber erst noch zeigen.

Wo kommt bidirektionales Laden zum Einsatz?

Damit die Umstellung von konventionellen Energieträgern auf Solar-, Wind- und Wasserkraft funktionieren kann, müssen zahlreiche Rädchen ineinandergreifen. Unter anderem bedarf es viel Speicherkapazität für erneuerbare Energie, damit zum Beispiel an windigen Tagen große Mengen Windstrom gespeichert werden können, die an windstillen Tagen wieder ins Stromnetz fließen. Diese Kapazität muss nicht zwingend aus großen, zentralen Speichern bestehen – auch dezentrale, kleinere Akkus können einen Beitrag für ein stabiles Stromnetz leisten. Genau das trifft unter gewissen Umständen auf parkende Elektroautos zu, die an eine Ladestation angeschlossen sind: Sie können bereits geladenen Strom vorübergehend abgeben, wenn er in Zeiten von Energiespitzen im Netz benötigt wird. Und genau für dieses Prinzip braucht es die Technik des bidirektionalen Ladens.

Haus mit Solaranlage auf dem Dach und Wallbox an der Wand

Cockpit eines Elektroautos

Wie kann bidirektionales Laden angewendet werden

Es gibt drei Anwendungsmöglichkeiten für die bidirektionale Ladetechnologie: Vehicle-to-Grid (V2G), Vehicle-to-Home (V2H) und Vehicle-do-Device (V2D). Letztere wird auch als Vehicle-to-load (V2L) bezeichnet.

  • Wird das E-Auto mit dem Stromnetz verbunden, spricht man von der Vehicle-to-Grid-Technologie, also V2G. Dabei dient das Fahrzeug als dezentraler Stromspeicher, der dem Netz Energie zur Verfügung stellt, wenn sie benötigt wird.

  • Möglich ist auch, den Strom aus der E-Auto-Batterie nach dem Vehicle-to-Home-Prinzip, also V2H, im eigenen Haus zu verwenden. Laut offiziellen Zahlen liegt der Energiebedarf einer vierköpfigen Familie bei rund 11 Kilowatt pro Tag. Mit einer vollgeladenen 58-Kilowatt-Batterie, wie sie zum Beispiel der VW ID.3 bietet, könnte der Bedarf an Energie also fast von Montag bis Freitag aus dem Akku des E-Autos gedeckt werden.

  • Bei der Funktion Vehicle-to-load oder Vehicle-to-Device ist in den E-Autos eine Schuko-Steckdose verbaut. An dieser kann man elektrische Geräte anschließen, um sie zu betreiben oder zu laden. Diese praktische Funktion wird beispielsweise beim Hyundai Ioniq und beim Kia Niro angeboten.

Vattenfall Tipp

Neben ihrer Bedeutung für die Energiewende könnte die Vehicle-to-Grid-Technologie aus finanziellen Aspekten interessant für Personen werden, die ein E-Auto besitzen. Denn es ist durchaus denkbar, dass sie sich die Funktion Ihres Elektroautos als Zwischenspeicher vom Staat oder den Energieversorgern bezahlen lassen – was die Unterhaltskosten für E-Fahrzeuge verringern würde. Betont sei: Entsprechende Möglichkeiten gibt es aktuell nicht. Wer über die Anschaffung eines Elektroautos nachdenkt, kann das Thema aber zumindest im Hinterkopf behalten.

So funktioniert bidirektionales Laden

Die entscheidenden Komponenten, damit bidirektionales Laden funktioniert, sind das Elektroauto und die Ladeinfrastruktur. Beide müssen über die entsprechenden technischen Voraussetzungen verfügen, was längst noch nicht flächendeckend der Fall ist. Zudem bedarf es eines speziellen Steckers, der auf bidirektionales Laden ausgelegt ist – aktuell erfüllt diese Voraussetzung nur der aus Asien stammende CHAdeMO-Stecker.

Icon für CHAdeMO-Stecker

Nahaufnahme von Ladestecker am E-Auto

Die speziellen Ausprägungen der beteiligten Komponenten sind nötig, weil sich im Stromnetz Wechselstrom (AC) befindet. Da Geräte mit einem integrierten Akku – ob ein kleines Handy oder ein großes Elektroauto – stets mit Gleichstrom (DC) laufen, muss der Strom für das Laden eines Elektrofahrzeugs umgewandelt werden. Das geschieht mithilfe eines entweder im E-Auto oder in der Ladestation eingebauten Wandlers. Geht der Strom nun den umgekehrten Weg aus der Batterie des Fahrzeugs zurück ins Stromnetz, gilt dasselbe Prinzip: Hier muss der Gleich- wieder zu Wechselstrom werden. Für diese Technologie bedarf es Wallboxen, Elektroautos und Stecker, die auch das Konvertieren in diese Richtung unterstützen.

Welche E-Autos und Wallboxen unterstützen bidirektionale Ladetechnologie?

Dass bidirektionales Laden noch kein Thema für die breite Masse ist, zeigt sich an der geringen Anzahl der Elektroautos, die für diese Technologie ausgelegt sind. Führend sind asiatische Hersteller. Als erstes E-Auto, das Strom sowohl aufnehmen als auch abgeben konnte und kann, gilt der Nissan LEAF. Hinzu kommen diese Modelle (Stand März 2023):
 

  • Mitsubushi i-MiEV

  • Hyundai Ioniq 5/6

  • Kia Niro EV

  • MG 4 / 5 / Marvel

  • Polestar 3

  • Skoda Enyaq

  • Volvo EX90

Die erste Generation des ID.3 und ID.4 von Volkswagen war ursprünglich noch nicht bidirektional ausgelegt – die neuesten Modelle bieten diese Möglichkeit aber dank technischer Anpassungen und zusätzlicher Software bereits. Ältere Modelle sollen die Funktion mit einem Update nachrüsten können, damit auch sie fürs Be- und Entladen und somit als dezentrale Speicher für Strom zur Verfügung stehen können.

Bei den Wallboxen gibt es mehrere Hersteller, wie beispielsweise ABB, Quasar, Evtec, Ambibox und Designwerk, die bidirektionale Wallboxen anbieten. Wichtig ist dabei, dass ausschließlich DC-Wallboxen – also jene mit Gleichstromanschluss – für die Technik in Frage kommen. Diese Modelle sind zum Teil deutlich teurer als die AC-Wallboxen, die im Normalfall für den Privatgebrauch verbaut werden.

Solarstrom zwischenspeichern und später nutzen

Haushalte mit einem Elektrofahrzeug im Carport und einer PV-Anlage auf dem Dach schonen die Umwelt und ihr Budget. Schließlich kann das Elektroauto via Wallbox direkt mit selbstproduzierter Sonnenenergie geladen werden.

Haus mit Solaranlage auf dem Dach, davor steht ein E-Auto

Im Durchschnitt produziert die PV-Anlage eines Einfamilienhauses pro Jahr knapp 1.000 Kilowattstunden (kWh) Solarstrom. Ein Elektroauto-Mittelklassemodell kann damit durchschnittlich gut 6.500 Kilometer zurücklegen. Mit bidirektionaler Ladetechnologie wäre es theoretisch möglich, das Elektroauto ausschließlich als Zwischenspeicher zu nutzen. An sonnigen Tagen könnte es den eigenen Solarstrom aufnehmen, der dann später ins Haus fließt. Mit 1.000 Kilowatt zwischengespeichertem Strom pro Jahr aus dem E-Auto könnte zum Beispiel die Waschmaschine 1.800 Mal bei 40 Grad oder der Fernseher 10.000 Stunden laufen.

Wie sind die Zukunftsaussichten für das bidirektionales Laden?

Aktuell ist die „Vehicle to Grid“-Technologie noch nirgendwo in Deutschland im Serieneinsatz, da es unter anderem an regulatorischen Voraussetzungen mangelt. Wie viele E-Auto-Besitzer:innen ihr Fahrzeug nach dem „Vehicle to Home“-Prinzips bereits als Zwischenspeicher nutzen, ist nicht erfasst – die Zahl dürfte aber noch überschaubar sein. Und dass zeitnah hunderttausende Elektroautos im Land als dezentrale Stromspeicher dienen, ist ebenfalls nicht anzunehmen. Dafür fehlt es schlicht an Fahrzeugen und Wallboxen, die für die bidirektionale Ladetechnologie ausgelegt sind. Zudem sind die heutigen Akkus von Elektroautos nicht für unendlich viele Lade- und Entladevorgänge ausgelegt.

Eine exorbitante Nutzung als Zwischenspeicher würde ihre Lebensdauer also verringern. Auch das ist ein Grund, warum bidirektionales Laden noch kein Standard ist. Jedoch ist die Grundüberlegung so sinnvoll, dass eine weitere Vertiefung wahrscheinlich ist – gerade bei sich weiterentwickelnder Batterietechnologie. Im Gegensatz zu Verbrennern können E-Autos schließlich dank des „Ladens in zwei Richtungen“ auch sinnvoll zum Einsatz kommen, wenn sie parken. Dass von ihrer Rolle als Puffer- oder Zwischenspeicher sowohl das öffentliche Stromnetz als auch private Haushalte profitieren können, zeigen zudem die breiten Anwendungsmöglichkeiten des bidirektionalen Ladens.

Frau steckt den Ladestecker in ihr E-Auto

Vattenfall Fazit

Wenn sich das bidirektionale Laden durchsetzt, hilft es erneuerbare Energien effizient zu nutzen – was mit Blick auf den Klimawandel unabdingbar ist. Nun sind Herstellende und Nutzende gefragt, die Technik voranzutreiben bzw. sie zu nutzen, während Gesetzgeber und Energieversorger die regulatorischen Voraussetzungen für einen flächendeckenden Einsatz des bidirektionalen Ladens schaffen müssen.

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